top of page
Aktuelle Einträge
Kategorien
Archiv

Veröffentlichung und Interview bei KULTUR BILDET / Projekt der Woche #219: VORSICHT!LÖSUNGEN

Im mecklenburgischen Dorf Qualitz hat der Verein AllerHand e.V. auf einem Hof seit 2014 eine "Werkstatt für lebenslanges Lernen" aufgebaut und bietet fast täglich wechselnde Aktivitäten für die Menschen im Ort an: vom Mathekreis für Schulkinder, über eine Holz- und eine Fahrradwerkstatt bis hin zu Diskussionsrunden und einem generationsübergreifenden Chor bereichert das „Aller“ das Dorfleben. Am kommenden Wochenende - vom 8. bis 10. Juni 2018 - lädt der Allerhandverein unter dem Titel "VORSICHT!LÖSUNGEN – Allerhand ansteckende Ansätze II.“ zu einem regelrechten "Gipfeltreffen und Erfahrungsaustausch der kleinen Initiativen“ ein, wie es die Vereinsvorsitzende Barbara Wetzel auf den Punkt bringt.

Lesen Sie nachfolgend ein Interview mit Barbara Wetzel, der Bildhauerin, Neulandgewinnerin und AllerHand-Vorsitzenden, das „Kultur bildet.“-Redakteurin Ulrike Plüschke mit ihr führte. Ulrike Plüschke: Frau Wetzel, was erwartet die Besucherinnen und Besucher am kommenden Wochenende bei "VORSICHT!LÖSUNGEN" ? Barbara Wetzel: Vorsicht! Lösungen ist eine Veranstaltung im Rahmen unseres Projekts "Auf Übertragbarkeit prüfen", das von der Robert Bosch Stiftung gefördert wird. Wir wollen verschieden Themen miteinander verbinden und aufgreifen, die in den Neulandgewinnerprojekten der letzten Jahre aufgetaucht sind. Dabei sind InnovationsträgerInnen aus allen möglichen Bereichen. Es gibt Workshops und Aktivitäten zu Handwerk, Kunst, Kommunikation, Bildung. Jemand der Akteure aus den Neulandgewinnerkreisen sagte mal: es geht einfach um gutes Leben. Dabei geht es nicht nur um bequemes, sondern auch erfülltes, selbsttätiges, gerechtes und neugieriges Leben mit allen Generationen und Umwelt und Umfeld zusammen. Unter https://www.allerhandverein.com/vorsicht-loesungen ist das gesamte Programm zu finden.

Neben den konkreten Workshops und Veranstaltungen geht es Ihnen bei "VORSICHT!LÖSUNGEN" ja auch um den Erfahrungsaustausch. Wenn Sie auf die Zeit seit der Vereinsgründung im Jahr 2014 zurückblicken, welche Erfahrungen haben Sie als bildende Künstlerin gemacht, die sich im ländlichen Raum für kulturelle und auch soziokulturelle Infrastruktur engagiert? Was muss sich ändern, um Kultur und kulturelle Bildung im ländlichen Raum langfristig zu unterstützen? Ich glaube gar nicht, dass ich in meiner Umgebung in erster Linie als Künstlerin agiere, sondern eher als Person, die durch aufmerksames Beobachten mitbekommt, was eigentlich nötig wäre und als geübte Improvisateurin auch an die Möglichkeit glaubt, Dinge umzusetzen (vielleicht ist das berufsbedingt). Oft ist es auch die Neugier und Lust, eine Idee tatsächlich realisiert zu sehen. Dabei bin ich umgeben von Menschen mit unglaublichen Kompetenzen in ganz unterschiedlichen Richtungen, LehrerInnen, KünstlerInnen, HandwerkerInnen, JournalistInnen, Landwirten, RentnerInnen, IT-Leuten, die den Allerhandverein mitgegründet haben, weil sie einen guten lebendigen Punkt im Ort schaffen wollten. Ich glaube, die Fokussierung auf die Kunst- und Kulturschaffenden als gesellschaftsverändernde Kräfte im ländlichen Raum, wie sie an den Unis und von den Landesregierungen zum Teil vorgenommen wird, ist nicht richtig. Vielmehr ist vielleicht das nicht abhängige Arbeiten vor Ort ein wichtiger Punkt.

Bei guten Projekten, egal, ob in der Stadt oder im ländlichen Raum geht es meiner Meinung nach darum, ganz authentische, verfeinerte und auf ihrem Gebiet professionelle Menschen zum Mittun zu gewinnen. Die Arbeit dieser Menschen, egal ob sie KünstlerInnen, Soziologen oder GärtnerInnen sind, zu wertschätzen ist Daseinsvorsorge für unsere Gesellschaft.

Deswegen muss kulturelles Arbeiten und Wissensleistung auskömmlich entlohnt und verlässlich koordiniert werden!

In so strukturschwachen Regionen, ohne Städte im Hintergrund, mit z.T. verschuldeten ehrenamtlich geführten Gemeinden, ist es dabei umso schwieriger, Finanzierungen zum Beispiel durch das Bundesland auf die Beine zu stellen. Meine Lieblingsidee ist so eine Art Grundeinkommen für kleine Initiativen im ländlichen Raum, das ermöglicht, Inhalte zu entwickeln und weitere Förderer und UnterstützerInnen zu finden. Für uns hat die Finanzierung durch die Robert Bosch Stiftung ein bisschen so funktioniert. Trotzdem warten die Dorfleute eben, ob wir nicht doch bald dicht machen und hängen ihr Herz lieber nur zögerlich ans Aller. Auf dem Dorf bräuchte man Projektlaufzeiten von fünf oder lieber zehn Jahren!

Stichwort Finanzierung: Ihr Verein erhält seit 2015 eine Förderung im Rahmen des von Ihnen schon erwähnten Programms "Neulandgewinner – Zukunft neu erfinden vor Ort" der Robert Bosch Stiftung. Worin genau besteht diese Förderung? Neben der finanziellen Förderung durch die Robert Bosch Stiftung geht es vor allem um die Verbindung und Anerkennung starker Akteure aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und die Stärkung und Wertschätzung der Arbeit dieser Leute. Dabei habe ich als Neulandgewinnerin für unser Projekt mit Andreas Willisch einen erfahrenen Mentor zur Seite gestellt bekommen, der uns mit allen Erfahrungen, die aus anderen Projekten da sind, öfter mal davor bewahrt, Fehler anderer Leute zu wiederholen. Die Werkstätten des Programms, die einmal im vierteljährlich stattfinden und die Foren, die einmal im Jahr veranstaltet werden, ermöglichen neben der Verbindung und dem Austausch untereinander vor allem auch, festzustellen, dass das, was wir da machen, von überregionaler Bedeutung ist. Es ist gut und stärkend, zu sehen, dass in Ostdeutschland offene Werkstätten, innovativ geführte Hostels, ehrenamtlich geführte Regionalfernsehsender, Opern in kleinen Kirchen mit buntgemischtem Publikum, Urbane Farmen zwischen den Neubauten und viele andere mit Leidenschaft und Hingabe vorangetriebene, innovative Ideen realisiert werden.

Bei unserer Veranstaltung „Vorsicht!Lösungen- Allerhand ansteckende Ansätze II“ wollen wir davon etwas für die Menschen aus der Region und darüber hinaus sichtbar, spürbar und übertragbar machen.

Welche Zukunftspläne oder -wünsche haben Sie für das "Aller"? Dass es beweglich und wandelbar bleibt, sich neue Ideen entwickeln und alte festigen, wir Wege finden, im Gespräch zu bleiben und immer wieder schaffen, neue Einladungen an alle auszusprechen. Dass es durch die Beteiligung vieler unterschiedlicher Leute gelingt, gesellschaftliche Querverbindungen zu flechten, die stabil und verbindlich sind und uns vor Dummheit und Vorurteilen schützen.

Vielen Dank und alles Gute!

Fotos: Jörg Gläscher

bottom of page